Gibt es die „senile Bettflucht”?

Viele Menschen haben das Gefühl, dass sie mit den Jahren schlechter schlafen als früher. Immerhin hat jeder dritte über 65 Jahre deswegen schon mal einen Arzt aufgesucht, jeder zehnte dieser Altersgruppe nimmt mehrfach pro Woche Schlafmittel ein. Doch haben wir es tatsächlich mit so vielen echten Schlafstörungen zu tun? Wird die Schlafqualität im Alter wirklich so viel schlechter? 

Es gibt viele Einflüsse auf das individuelle Schlafverhalten: Zum einen ist unsere genetische Grundausstattung teils sehr verschieden – es gibt Frühaufsteher und Langschläfer, das sind wir von Jugend an und das ändert sich später selten. Zum anderen kommen diverse äußere Einflüsse, wie Schlafumgebung, andere Erkrankungen oder Medikamente, Sorgen, die uns belasten, Genussmittel wie Alkohol, Kaffee oder bestimmte Teesorten hinzu. Und natürlich ist der Regenerationsbedarf bei jemanden, der täglich arbeiten geht und sich nebenbei noch um Kindererziehung oder Haus und Hof kümmern muss, anders als nach Eintritt ins Rentenalter.

Auch das Alter selber kann zu einer Veränderung des Schlafes in Bezug auf Dauer und Qualität führen, da sich häufig der sogenannte Wach-Schlaf-Rhythmus verschiebt. Eine wichtige Rolle spielt hier das Schlafhormon Melatonin und dessen im Alter nachlassende Produktion. Aber auch verschiedene Medikamente können Einfluß nehmen. Insofern sind leichtere Veränderungen im Schlafverhalten „normal“, also nicht krankhaft und damit nicht behandlungsbedürftig. Ein bis zu viermaliges Aufwachen in der Nacht ist nicht ungewöhnlich, solange man dann auch bald wieder einschläft.

Eine bedeutsame Schlafstörung liegt dann vor, wenn an mindestens drei Tagen pro Woche über wenigstens einen Monat Schlafstörungen auftreten, die dann eine verringerte Tagesbefindlichkeit zur Folge haben. Dann sollten Sie Ihren Hausarzt aufsuchen und eine Abklärung anstreben. Denn anhaltende ernsthafte Schlafstörungen können Folgeprobleme wie Herzerkrankungen, Depressionen oder Demenz unterstützen wenn nicht sogar auslösen. Daher sollten dann mögliche Ursachen oder Störfaktoren abgeklärt und ggf. weitergehende Untersuchungen, z. B. bei einem Neurologen, veranlasst werden.

 

Bevor die medikamentöse Behandlung einer Schlafstörung begonnen wird, sollten die folgenden Empfehlungen geprüft und umgesetzt werden:

  • Sorgen Sie für eine angenehme Schlafumgebung! (z. B. dunkles und ruhiges Zimmer)
  • Halten Sie regelmäßig Bettgehzeiten ein, schaffen Sie sich ein Einschlafritual! (z. B. Lesen)
  • Verbannen Sie Fernseher oder Wecker aus Ihrem Blickfeld!
  • Vermeiden Sie ab dem Nachmittag aktivierende Genussmittel, auch Alkohol ist kein geeignetes Mittel zu einem besseren Schlaf!
  • Schlafen Sie tagsüber (z. B. nach dem Mittag) nicht länger als 30 Minuten!
  • Bevorzugen Sie am Abend eine kleine, leichte Mahlzeit!
  • Trinken Sie abends keine größeren Mengen an Flüssigkeit!
  • Sorgen Sie am Tag für ausreichende körperliche und geistige Betätigung!
  • Bleiben Sie bei Schlaflosigkeit nicht längere Zeit im Bett liegen!
  • Passen Sie Ihre Bettzeiten an Ihren Schlafbedarf an!

Erst wenn dies nicht den gewünschten Erfolg bringt und die Untersuchungen keine anderweitig zu behandelnden Gründe für die Schlafprobleme erbracht haben, kommen medikamentöse Maßnahmen in Betracht. Hier sollten pflanzliche Präparate, wie z. B. Baldrian oder auch der Ersatz des Schlafhormons Melatonin bevorzugt zur Anwendung kommen. Die pharmakologischen Präparate, die sogenannten „Z-Substanzen“ sollten vermieden und wenn, dann nur auf vier Wochen begrenzt zum Einsatz kommen.

Schwere Schlafstörungen haben dann auch eher tieferliegende Ursachen und sollten nach fachärztlicher Abklärung entsprechend behandelt werden. Die überwiegende Zahl an subjektiv-empfundenen Schlafproblemen gehört aber nicht dazu. In der Regel lässt sich hier bereits beim Hausarzt eine Klärung erreichen. Dort sind Ihre gesundheitlichen Probleme bekannt und auch die Medikamente, die Sie regelmäßig oder bedarfsweise einnehmen. Nicht immer ist es möglich, ein eventuell schlafstörendes Medikament ab- oder umzusetzen, da dann an anderer Stelle ein gesundheitlicher Schaden droht. 

Aus meiner Erfahrung resultieren empfundene Schlafprobleme oft aus einer falschen Erwartungshaltung heraus, da viele Patienten die gleiche Schlafdauer und -qualität erwarten, wie sie sie in jüngeren Jahren hatten. Hier bringt eine Anpassung an die veränderten Realitäten des höheren Lebensalters in der Regel den gewünschten Erfolg.