Manchmal ist weniger mehr

Fluch oder Segen? Während die einen es zur Königin der Medikamente küren, sind die anderen der Meinung, dass es viel zu häufig verordnet wird und krank macht. Das Antibiotikum.


Mit der Entdeckung des Penizillins begann vor etwa 75 Jahren die Ära der Antibiotika. Erstmals in der Geschichte konnten bakterielle Infektionen beherrscht werden und die Todesstatistik sank beträchtlich. Doch die Bakterien schlugen im Laufe der Jahre zurück. Immer wieder änderten sie ihre Struktur und Zellfunktion und wurden so resistent gegen bestimmte Antibiotika. Dies war so lange nicht problematisch, wie die forschende Pharmaindustrie immer wieder neue Substanzen mit neuen Angriffspunkten entwickelte. Da aber in den letzten zehn Jahren die Quelle innovativer neuer Antibiotika zu versiegen scheint und im stationären wie im ambulanten Gesundheitswesen immer öfter multiresistente Keime diagnostiziert werden, ist zwingend ein Umdenken in der Antibiotikatherapie erforderlich.

Die wichtigste Aufgabe des Gesundheitswesens ist hierbei, die Ursachen der Resistenzentstehung zu betrachten und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen.

Je häufiger und länger Bakterien mit bestimmten Antibiotika Kontakt haben, je größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich so verändern, dass sie überleben können. Deshalb sollten Antibiotika so selten und so kurz wie möglich eingesetzt werden.

Zunächst gibt es harmlose bakterielle Besiedlungen auf der Haut, der Schleimhaut, im Darm und auch in der Harnblase, die zufällig entdeckt werden und ohne Krankheitssymptome keiner Therapie bedürfen. Hier können die Erreger zum Beispiel durch Erhöhung der Trinkmenge ausgespült werden.

Daneben befindet sich die große Anzahl viraler Infektionen, deren Bekämpfung durch Antibiotika keinen Sinn macht, da sie dort nicht helfen.

Nach einer sorgfältigen Anamnese, eine gründlichen klinischen Untersuchung sowie einer unterstützenden Labordiagnostik kann der behandelnde Arzt eine Diagnose stellen und eine Entscheidung bezüglich einer Antibiotikaverschreibung treffen.

Wenn es die Zeit erlaubt, kann ein bakterieller Abstrich gemacht werden, um Aussagen über die Wirksamkeit verschiedener Antibiotika zu erhalten. Von Nachteil ist das erst in etwa fünf Tagen zu erwartende Resultat. Wenn Gefahr im Verzug ist, und nur dann, ist es sinnvoll, sofort blind mit einer Antibiotikatherapie zu beginnen. Erkrankungen wie eine Lungenentzündung, eine Nierenbeckenentzündung, hochfieberhafte Darmerkrankungen, eitrige Mandelentzündungen, eine Wundrose,  oder fieberhafte Nasennebenhöhlenentzündungen erfordern beispielsweise diese Behandlung.

Gerade in der diesjährigen Grippeperiode mit anhaltend langen Krankheitsverläufen war verständlicherweise oft der Patientenwunsch zur Krankheitsverkürzung durch Antibiotika zu hören. Auch hier sollten Sie den diagnostischen Fähigkeiten des Arztes vertrauen und der Möglichkeit von durch Antibiotika verursachten Durchfällen oder Allergien aus dem Weg gehen. Hier kann ein CRP-Schnelltest in der Praxis sinnvoll sein, besonders bei schwierigen Fällen. Es handelt sich hierbei um ein Protein, welches bei bakteriellen Erkrankungen gegenüber Viruserkrankungen in erheblich höherer Konzentration im Blut nachgewiesen werden kann. 

Liebe Patienten, sprechen Sie mit Ihrem Arzt über alternative Wege zur Antibiotikatherapie! Je weniger oft und je kürzer Sie Antibiotika einnehmen, je geringer ist die Wahrscheinlichkeit, Träger von multiresistenten Keimen zu werden, und je größer wird die Chance, bei lebensbedrohlichen Erkrankungen auch ein passendes Antibiotikum für Sie zu finden.