„Brauche ich nicht, hatte ich noch nie!“

Die Grippeschutzimpfung schützt nicht vor Erkältungen. Sie kann aber vor einer viel schlimmeren Erkrankung bewahren. Eine echte Grippe ist eine schwere Virusinfektion und kann tödlich verlaufen. Besonders ältere Menschen sind gefährdet.


Wenn ich Patienten auf die Grippeschutzimpfung anspreche, höre ich häufig immer wieder die gleiche Antwort: „Brauche ich nicht, hatte ich noch nie!“ Dann frage ich sie, ob sie eine Hausratversicherung haben, obwohl bisher bei ihnen nicht eingebrochen wurde. Denn nichts anderes sind Impfungen – eine Art Versicherung, damit es nicht zu einem Gesundheitsschaden durch eine Infektion kommt.

Eigentlich weiß das auch jeder, denn bei der Tetanusimpfung wird kaum überlegt oder diskutiert. Bei der Influenza, also der echten Virusgrippe, handelt es sich um eine Virusinfektion, die zwar mit erkältungsähnlichen Symptomen auftritt, aber wesentlich heftiger verläuft.

Meist beginnt es mit schlagartig-hohem Fieber, oft 40 Grad und höher, Schüttelfrost, schwerem Krankheitsgefühl mit Kopf- und Gliederschmerzen, Halsschmerzen und Husten. Die Infektion ist dann schon etwa 1 bis 4 Tage vorher meist über das Einatmen von Viren geschehen – von uns unbemerkt und auch kaum zu verhindern, wenn z.B. ein infizierter Mensch in unserer Nähe niest oder hustet.

Die Viren können sich massiv im menschlichen Körper ausbreiten und auch die inneren Organe befallen, im Extremfall sogar zu einem Organversagen führen.

In der letzten Grippesaison sind nach Angaben des Robert-Koch-Institutes (RKI) mindestens 700 Menschen in Deutschland an der Grippe gestorben, über 30.000 mussten im Krankenhaus behandelt werden. Wir reden hier also nicht über eine Kleinigkeit.

Die normalen Erkältungen werden auch von Viren ausgelöst, verlaufen aber  überwiegend harmlos. Dagegen gibt es bisher leider keine Impfungen – gegen die echte Grippe schon. 

Da sich die weltweit kursierenden Grippestämme immer wieder verändern, werden die Impfstoffe jedes Jahr an die zu erwartenden Erreger angepasst. Meist wird in Deutschland ein sogenannter trivalenter Impfstoff angeboten – mit Wirkung gegen drei Virentypen, zwei A-Stämme und einen B-Stamm. Der Grund liegt darin, dass wir es hier vorwiegend mit A-Stämmen zu tun haben (in der letzten Saison zu 93 Prozent lt. RKI-Angaben).

Zudem gibt es auch die Möglichkeit, mit einem tetravalenten Serum mit einem zusätzlichen B-Stamm zu impfen. Der Nutzen dieses 4er-Impfstoffes ist aber umstritten, zumal die Kosten deutlich (bis zu 80 Prozent) über dem des trivalenten Impfstoffes liegen.

Zudem haben in mehreren Bundesländern, auch in Sachsen-Anhalt, die Krankenkassen Verträge mit einem bestimmten Hersteller geschlossen und beziehen die Impfstoffe darüber zu einem günstigen Preis in großer Stückzahl. Wir Hausärzte sind daher unter dem Gebot der Wirtschaftlichkeit angehalten, diesen Impfstoff zu verwenden. Zum aktuellen Stand der Wissenschaft spricht auch nichts dagegen. Wie sich das in Zukunft entwickelt, müssen wir abwarten.

Es ist auch so, dass Impfungen eine Infektion nicht zu 100 Prozent verhindern können, aber die Verläufe sind wesentlich leichter. Das ist vor allem für die besonders gefährdete Gruppe der über 60-Jährigen von Bedeutung – es kann den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen. Dagegen ist der Pieks eine Kleinigkeit.

Es gibt leider noch viele Vorurteile gegen Impfungen im Allgemeinen und die Grippeschutzimpfung im Besonderen, oft basierend auf Hörensagen oder einzelnen Negativerfahrungen – meist aber Jahrzehnte zurückliegend.

Auch auf Grund eigener jahrelanger Erfahrung kann ich aber versichern, dass die modernen Impfstoffe sehr gut verträglich sind und es kaum zu Impfreaktionen kommt. Und selbst wenn es welche gibt, stehen sie in keinem Verhältnis zu der Schwere einer Virusgrippe. Es gibt also keinen vernünftigen Grund, sich nicht impfen zu lassen. Und bedenken Sie bitte – je mehr Menschen sich impfen lassen, umso weniger haben Grippewellen Chancen, sich auszubreiten.